Von Kontrolle, Beherrschbarkeit und Schicksal
Die Zukunftsforschung, oder Future Studies, hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert. Grund hierfür waren bahnbrechende Forschungsdurchbrüche in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, sowie der Siegeszug von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz, die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringen und diese nachhaltig verändern. Dazu kommen menschengemachte Krisen wie der „Klimawandel“, aber auch politische Transformationen auf der ganzen Welt, welche die globale Ordnung neustrukturieren und überholte Gewissheiten ablösen. Die Kunst als wichtiger Akteur möchte gleichermaßen nicht nur einen Status Quo abbilden oder reflektieren, sondern trägt in hohem Maße zu Entwürfen und Vorschlägen für „Zukünfte“ bei. Diese künstlerischen Forschungsbeiträge sind dabei oft spekulativ und können anders als die etablierten Wissenschaften bislang nicht prüfbare oder belastbare Thesen aufstellen.
Julia Schmelzer beschäftigt sich in ihren künstlerischen Werken insbesondere mit Transformationen und Fiktionen, die unsere „Zukünfte“ beeinflussen und neugestalten. In ihrem am NCT/UCC entstandenen Film zur modernen Krebsmedizin und -forschung verwebt sie dokumentarische Elemente mit spekulativen poetischen Momenten. Aufnahmen von Untersuchungsgeräten, der universitären Gewebebank und Laboren wechseln sich ab mit mikrobiologischen und organischen Details. Zum eigenen Filmmaterial fügt sie Makroaufnahmen, beispielsweise von Staubpartikeln, hinzu. Die Kamera nimmt sich viel Zeit, die Schnitte gehen ineinander über, sodass sich die Einzelaufnahmen zu einer seriellen Sequenz fügen. Der Film selbst ist getragen von einem Klangteppich aus Gamma waves, Noise und Gesang aus Gregorio Allegris „Miserere mei, Deus“, die Schmelzer zu einer ätherischen Soundcollage zusammengefügt hat. Unter dem Titel „Domestication“, auf Deutsch Zähmung, unternimmt sie aus künstlerischer Warte den Versuch, die Krankheit Krebs und ihre hochkomplexen Behandlungsmöglichkeiten aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, ohne dabei einen neutralen Standpunkt zu verlassen. Dominiert wird ihr Film-Essay von Bildern und Eindrücken, die das Verhältnis von Organismus, Mensch, Maschine und Technik analysieren.
Auch in ihrer zweiten Arbeit, eine Replik einer Protonenblende, die von computergesteuerten Fräsmaschinen hergestellt wurde, ist die anwesende Abwesenheit des Menschen spürbar. Die individuell angefertigte Vorrichtung für die hochwirksame Bestrahlung mittels Protonen umfasst exakt die Ausdehnung des zu behandelnden Tumors. Als dessen Negativform ist dieses skulpturale Artefakt auch eine ästhetische Materialisierung. Im Archiv der Protonentherapieanlage gibt es also unzählige dieser Blenden, die alle einer Patientin beziehungsweise einem Patienten zuzuordnen sind. Die Konturen der Blende aus Messing erzählen von der individuellen Krankengeschichte und auch der Geschichte dieses Therapieansatzes, bei dem an immer neuen Möglichkeiten geforscht wird, um die Behandlung so präzise und effektiv wie möglich zu machen.
Video "Domestication"
Julia Schmelzer (*1988 in Dresden, lebt und arbeitet in Dresden) ist Meisterschülern bei Prof. Carsten Nicolai an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, wo sie ebenfalls ihr Diplom ablegte. Die Installations- und Videokünstlerin ist zudem als Kuratorin tätig und hat bereits verschiedene insbesondere auch digitale Ausstellungen und internationale Formate konzipiert, darüber hinaus ist sie Mitbegründerin der Plattform PYLON für zeitbasierte Medien.
Projektpartner:innen:
PD Dr. Cornelia Link-Rachner –Tumorimmunologie zur Risiko-Abschätzung
Gruppe Immun-basierte Diagnostik in der Onkologie, Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ)
Mit hochmodernen, sogenannten Next-Generation-Sequencing (NGS)-Methoden analysieren die Forschenden, wie sich bei Patientinnen und Patienten nach einer Stammzelltransplantation Merkmale von bestimmten Immunzellen verändern. Die Übertragung von Blutstammzellen eines Spenders wird bei bestimmten Leukämien und manchen malignen Lymphomen eingesetzt. Dabei kann es zu einer Graft-versus-Host-Reaktion kommen, bei der die Immunzellen des Spenders das Gewebe des Empfängers als fremd erkennen und es attackieren. Bestimmte immunologische Veränderungen könnten dabei helfen, das Risiko einer solchen Komplikation genauer vorherzusagen und die gewonnenen Erkenntnisse in der Behandlung der Betroffenen zu nutzen.
Nadine Giesemann – Förderung eines gesunden Lebensstils
Präventionszentrum, NCT/UCC Dresden
Etwa ein Drittel aller Krebsneuerkrankungen in Deutschland lassen sich auf Risikofaktoren wie Rauchen, ungesundes Ernährungsverhalten, Übergewicht und Bewegungsmangel zurückführen – und sind demnach vermeidbar. Auch zu viel ungeschützter Aufenthalt in der Sonne (UV-Strahlung) gehört dazu. Das NCT/UCC-Präventionszentrum entwickelt und verbreitet bundesweite Sonnenschutz-Programme, insbesondere für Schulen und Kitas. Ein gesunder Lebensstil kann aber auch während und nach einer Krebserkrankung die Lebensqualität sowie die körperliche Funktionsfähigkeit verbessern. Für Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung bietet das Zentrum daher verschiedene Kurse und weitere Unterstützungsangebote in den Bereichen Bewegung und Ernährung an.