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Dresdner Forscher erhalten Förderpreis für die Entwicklung von KI-Modellen zur Erkennung von Leukämie im Knochenmark
Dr. Jan Middeke (Mitte) bei der Preisverleihung. © DGKL

Dresdner Forscher erhalten Förderpreis für die Entwicklung von KI-Modellen zur Erkennung von Leukämie im Knochenmark

Digitalisierung spielt auch im Labor eine zunehmend wichtige Rolle. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Datenanalyse erweitert die Möglichkeiten in den Bereichen Diagnostik und individualisierte Therapien erheblich. Die Deutsche Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) verleiht deshalb den Förderpreis Digitales Labor für herausragende wissenschaftliche Leistungen.

Digitalisierung spielt auch im Labor eine zunehmend wichtige Rolle. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Datenanalyse erweitert die Möglichkeiten in den Bereichen Diagnostik und individualisierte Therapien erheblich. Die Deutsche Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) verleiht deshalb den Förderpreis Digitales Labor für herausragende wissenschaftliche Leistungen. In diesem Jahr erhalten Dr. med. Jan Middeke und Dr. med. Jan-Niklas Eckardt, Ärzte und Wissenschaftler am Universitätsklinikum Dresden, dem Else Kröner Fresenius Zentrum (EKFZ) für Digitale Gesundheit der TU Dresden und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden, die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung für ihre Forschungen zur Erkennung von Leukämie im Knochenmark mit Hilfe von KI. Sie teilen sich den Preis mit Annika Meyer aus Köln, die den Preis für ihre Forschung im Rahmen ihres medizinischen Staatsexamens zum Einsatz künstlicher Intelligenz erhält. 

Die sogenannte akute myeloische Leukämie, kurz AML, ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems, bei der sich die blutbildenden Zellen in einem frühen Stadium unkontrolliert vermehren. Die betroffenen Zellen entwickeln sich nie zu funktionstüchtigen Blutzellen, sondern verdrängen diese nach und nach. Eine zügige und präzise Diagnose ist entscheidend, um für die Betroffenen eine individuelle und damit erfolgreiche Therapie zu entwickeln.   

Dr. Jan Middeke und Dr. Jan-Niklas Eckardt leiten die interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Artificial Intelligence in Cancer“ am Dresdner Universitätsklinikum und dem EKFZ. Mit ihrem Team erforschen und entwickeln die beiden Ärzte an der Schnittstelle zwischen Medizin und Informatik u.a. Systeme für eine computer-gestützte Entscheidungsfindung zur besseren Diagnose von Blutkrebs. Die bei hämatologischen Krankheiten bisher genutzten Diagnose-Verfahren stoßen an ihre Grenzen. „Die Beurteilung der Knochenmarksmorphologie durch Expert:innen ist entscheidend für die AML-Diagnose, leidet aber momentan unter mangelnder Standardisierung. Deep Learning kann dieses Problem angehen, indem es medizinische Bilddaten analysiert und präzise Vorhersagen liefert“, erklärt Dr. Middeke, der auch die Ambulanz und Tagesklinik im Bereich Hämatologie/Onkologie am NCT/UCC Dresden leitet. Als Mitgründer des Arbeitskreises „Künstliche Intelligenz in der Hämatologie und Onkologie“ der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) ist Middeke überzeugt, dass der Einsatz von Deep Learning einen bedeutenden Fortschritt darstellt, der nicht nur die Effizienz steigern kann, sondern auch die Genauigkeit der Diagnosen verbessert. „Dies führt langfristig hoffentlich zu einer verbesserten Behandlung der Patientinnen und Patienten“, sagt er.

Beispielhaft führt er dafür die von Jan-Niklas Eckardt und ihm zusammen mit Prof. Martin Bornhäuser durchgeführte Studie „Deep learning detects acute myeloid leukemia and predicts NPM1 mutation status from bone marrow smears“, veröffentlicht in der renommieren Fachzeitschrift Leukemia an, die sich mit der Zytomorphologie genannten Erstuntersuchung bei AML beschäftigt. Sie ist entscheidend für die Diagnose, insbesondere durch die Beurteilung der Myeloblastenzahl und ihrer Morphologie. Ein häufig mutiertes Gen in der AML ist Nucleophosmin 1 (NPM1), das in etwa einem Drittel der Fälle vorkommt und eine wichtige Rolle in der Krankheitsentstehung spielt. Die Interpretation zytomorphologischer Daten ist allerdings oft sehr subjektiv. Im Rahmen der Studie wurde daher ein KI-Konzept entwickelt, das AML-Fälle von gesunden Proben anhand digitalisierter Knochenmarkbilder unterscheidet und den NPM1-Mutationsstatus präzise vorhersagt, indem es spezifische morphologische Merkmale analysiert. 

„Die Ergebnisse belegen das Potenzial von Deep Learning zur Ableitung morphologischer Merkmale, die den Mutationsstatus vorhersagen können“, so das Fazit von Dr. Middeke. „Zukünftige Studien werden sich auf weitere klinisch relevante Mutationen konzentrieren. Um in die Praxis integriert zu werden, müssen maschinelle Lernmodelle sehr genau und generalisierbar sein, was Kooperationen zwischen Ärzten und Softwareentwicklern erfordert“, sagt er. 

Mit seinem Kollegen Eckardt und weiteren Expertinnen und Experten der Wirtschaftsinformatik, Informatik, Biologie und Medizin hat er deshalb das Unternehmen Cancilico gegründet, um entsprechende KI-gesteuerte Software-Tools, die den Diagnoseprozess schneller und genauer machen, zu entwickeln. 

Die Auszeichnung, gestiftet von der Limbach Gruppe SE, unterstreicht die Bedeutung des Standortes Dresden im Bereich der Digitalisierung und Anwendung von KI in der Medizin.

Studie und Methode

Die Studie „Deep learning detects acute myeloid leukemia and predicts NPM1 mutation status from bone marrow smears“ analysierte 1251 neu diagnostizierte AML-Patienten aus mehreren multizentrischen Studien und einem Patientenregister, ergänzt durch 236 Kontrollproben von gesunden Knochenmarkspendern. Die Proben wurden gemäß WHO-Richtlinien vorbereitet und auf NPM1-Mutationen untersucht. Ein mehrstufiger Machine-Learning-Workflow wurde entwickelt, um digitale Knochenmarkbilder zu segmentieren und zu klassifizieren. Dabei kamen ein human-in-the-loop-Ansatz zur Zellsegmentierung und verschiedene Deep-Learning-Modelle zur Unterscheidung zwischen AML und gesunden Proben sowie zur Vorhersage des NPM1-Status zum Einsatz. 

Veröffentlichung:

Eckardt, JN., Middeke, J.M., Riechert, S. et al. Deep learning detects acute myeloid leukemia and predicts NPM1 mutation status from bone marrow smears. Leukemia 36, 111–118 (2022). https://www.nature.com/articles/s41375-021-01408-w

Kontakt: 
Dr. Jan Moritz Middeke
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Medizinische Klinik und Poliklinik I
JanMoritz.Middeke@ukdd.de

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR). Das NCT Dresden ist Teil des NCT mit weiteren Standorten in Berlin, Heidelberg, SüdWest (Tübingen-Stuttgart/Ulm), WERA (Würzburg, Erlangen, Regensburg, Augsburg) und West (Essen/Köln).
Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Es ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem DKFZ, exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland. Ziel des NCT ist es, Innovationen in der Krebsforschung in Deutschland zielgerichtet und schnell in Studien zu überführen, um Krebs bei hoher Lebensqualität erfolgreich zu diagnostizieren und zu behandeln. Patientinnen und Patienten sind dabei Forschungspartner auf Augenhöhe.
Das Dresdner Zentrum baut auf den Strukturen des Universitäts KrebsCentrums Dresden (UCC) auf, das 2003 als eines der ersten Comprehensive Cancer Center (CCC) in Deutschland gegründet wurde. Seit 2007 wurde das Dresdner Zentrum von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) kontinuierlich als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet.

Else Kröner Fresenius Zentrum (EKFZ) für Digitale Gesundheit
Das EKFZ für Digitale Gesundheit an der TU Dresden und dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden wurde im September 2019 gegründet. Es wird mit einer Fördersumme von 40 Millionen Euro für eine Laufzeit von zehn Jahren von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung gefördert. Das Zentrum konzentriert seine Forschungsaktivitäten auf innovative, medizinische und digitale Technologien an der direkten Schnittstelle zu den Patientinnen und Patienten. Das Ziel ist dabei, das Potenzial der Digitalisierung in der Medizin voll auszuschöpfen, um die Gesundheitsversorgung, die medizinische Forschung und die klinische Praxis deutlich und nachhaltig zu verbessern.