Akute myeloische Leukämie: Größerer Entscheidungsspielraum bei Therapie-Start
Akute myeloische Leukämie: Größerer Entscheidungsspielraum bei Therapie-Start
Die Diagnose einer Akuten myeloischen Leukämie (AML) galt bislang als medizinischer Notfall, der einen sofortigen Behandlungsbeginn erfordert. Wissenschaftler und Ärzte der Hochschulmedizin Dresden und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) konnten nun gemeinsam mit Kollegen von weiteren 23 Kliniken aus ganz Deutschland zeigen, dass es bei AML-Patienten mit gutem Allgemeinzustand vertretbar ist, zunächst wichtige Laborergebnisse abzuwarten, um auf dieser Grundlage eine Entscheidung über die beste verfügbare Behandlungsoption zu treffen. Angesichts neu zugelassener Therapiemöglichkeiten haben diese speziellen Laborergebnisse direkte klinische Auswirkungen. Die Ergebnisse der bislang größten Untersuchung zu dieser Fragestellung führten Ende vergangenen Jahres bereits zu einer Anpassung der deutschen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der AML. In die Studie einbezogen wurden die Daten von 2.263 AML-Patienten aus dem deutschlandweiten Register Studienallianz Leukämie (SAL). Die ausführliche Publikation zum Thema erschien auf der Website des Fachmagazins „Blood“ (DOI 10.1182/blood.2019004583).
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden, des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).
Die Akute myeloische Leukämie (AML) ist mit jährlich 3,5 Neudiagnosen pro 100.000 Einwohner eine seltene Erkrankung, aber die häufigste Form akuter Leukämien in Deutschland. Sie entwickelt sich recht plötzlich und schreitet schnell voran. Bleibt die Krankheit unbehandelt, überleben Patienten nach Diagnosestellung im Mittel nur einen Zeitraum von etwa 17 Wochen. Die allgemeine Empfehlung lautete daher bisher, bei Diagnose einer AML unverzüglich – möglichst noch am gleichen Tag – mit der Therapie zu beginnen. Mehrere neuere Studien weckten bereits Zweifel an dieser Einschätzung. Die nun vorliegende deutschlandweite Untersuchung unter Leitung von Wissenschaftlern und Ärzten der Hochschulmedizin Dresden und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) belegt auf der bislang breitesten Datenbasis und unter Anwendung umfangreicher Analyseverfahren, dass es vernünftig und sicher ist, bei Patienten mit einem guten Allgemeinzustand zunächst genetische und andere Laborergebnisse abzuwarten, die in einem Zeitraum von bis zu zwei Wochen erhoben werden.
„Diese bieten die Grundlage, um dann gegebenenfalls eine hochwirksame zielgerichtete Therapie gegen bestimmte Krankheitsmerkmale wählen zu können, die nur bei einem Teil der Patienten vorhanden sind. Diese Behandlungsoptionen können nicht genutzt werden, wenn unmittelbar mit einer intensiven Standard-Chemotherapie begonnen wird. Patienten können so von einer Verzögerung des Behandlungsbeginns profitieren“, erklärt Prof. Martin Bornhäuser, Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Dresden und Mitglied im Geschäftsführenden Direktorium des NCT/UCC Dresden.
Bei ihrer Untersuchung nutzten die Wissenschaftler einen Datensatz von 2.263 AML-Patienten aus dem Register Studienallianz Leukämie (SAL), das Daten von 46 Behandlungs-zentren in ganz Deutschland erfasst. In die Untersuchung einbezogen wurden Patienten, die eine vergleichbare Erstbehandlung mit einer intensiven Chemotherapie erhielten und deren Krankheitsverlauf mindestens ein Jahr lang nachbeobachtet wurde. Für ihre Analyse verwendeten die Wissenschaftler verschiedene statistische Methoden, die auch den möglichen Einfluss weiterer für die Prognose relevanter Parameter berücksichtigten. Im Ergebnis zeigte sich, dass beispielsweise genetische Risikofaktoren oder das Alter der Patienten einen deutlichen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit und die Wirksamkeit einer Therapie haben. Für den Zeitraum von der Diagnosestellung bis zum Therapiebeginn ließ sich hingegen kein entsprechender Einfluss aufzeigen. Im untersuchten Datensatz lag der Zeitraum bei wenigen Stunden bis 50 Tagen. Für genetische und weitere Analysen werden im klinischen Alltag bis zu zwei Wochen benötigt.
Die Ergebnisse ihrer Untersuchung, die die Wissenschaftler bereits im vergangenen Jahr in einer Kurzfassung auf dem Kongress der American Society of Hematology (ASH) präsentierten, führten zu einer Anpassung der deutschen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der AML. „Sie bilden die Grundlage für einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von AML-Patienten. Für Ärzte verringert sich so der Druck, unmittelbar eine Therapieentscheidung treffen zu müssen. Künftig könnten so mehr zielgerichtete Behandlungen zum Einsatz kommen, was auch angesichts der Dynamik, mit der solche auf individuelle Krankheitsmerkmale gerichtete Wirkstoffe aktuell zugelassen werden, von großer Relevanz ist. Auch weiterhin gilt aber, dass wenn bereits bei der Diagnosestellung schwerwiegende Komplikationen vorliegen, ein unmittelbarer Behandlungsbeginn wichtig ist. In jedem Fall sollten unnötige Verzögerungen bei der Behandlung der AML vermieden werden“, sagt Prof. Christoph Röllig, Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Dresden.
Veröffentlichung:
Christoph Röllig, Michael Kramer, Christoph Schliemann, Jan-Henrik Mikesch, Björn Steffen, Alwin Krämer, Richard Noppeney, Kerstin Schäfer-Eckart, Stefan Krause, Mathias Hänel, Regina Herbst, Volker Kunzmann, Hermann Einsele, Edgar Jost, Tim H. Brümmendorf, Sebastian Scholl, Andreas Hochhaus, Andreas Neubauer, Kristina Sohlbach, Lars Fransecky, Martin Kaufmann, Dirk Niemann, Markus Schaich, Norbert Frickhofen, Alexander Kiani, Frank Heits, Ulrich Krümpelmann, Ulrich Kaiser, Johannes Kullmer, Maxi Wass, Friedrich Stölzel, Malte von Bonin, Moritz Middeke, Christian Thiede, Johannes Schetelig, Wolfgang E Berdel, Gerhard Ehninger, Claudia D Baldus, Carsten Müller-Tidow, Uwe Platzbecker, Hubert Serve, Martin Bornhäuser: Does time from diagnosis to treatment affect the prognosis of patients with newly diagnosed acute myeloid leukemia?
Blood, DOI: https://doi.org/10.1182/blood.2019004583
Zur Mitteilung steht ein Bild in druckfähiger Auflösung zur Verfügung:
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BU: Bei der Behandlung von Patienten mit einer akuten myeloischen Leukämie haben Ärzte künftig einen größeren zeitlichen Spielraum, um über die optimale Therapie zu entscheiden.
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NCT/UCC Dresden
Dresden ist seit 2015 neben Heidelberg der zweite Standort des Nationalen Centrums für Tumor-erkrankungen (NCT). Das Dresdner Zentrum ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebs-forschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Damit können Krebspatienten in Dresden und Heidelberg auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Gleichzeitig erhalten die Wissenschaftler durch die Nähe von Labor und Klinik wichtige Impulse für ihre praxisnahe Forschung. Gemeinsamer Anspruch beider Standorte ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln. Das Dresdner Zentrum baut auf den Strukturen des Universitäts KrebsCentrums Dresden (UCC) auf, das 2003 als eines der ersten Comprehensive Cancer Center (CCC) in Deutschland gegründet wurde. Seit 2007 wurde das UCC von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) kontinuierlich als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet.
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das DKFZ ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Das Universitätsklinikum vereint 20 Kliniken und Polikliniken, vier Institute und zehn interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten.
Mit 1.295 Betten und 160 Plätzen für die tagesklinische Behandlung von Patienten ist das Dresdner Uniklinikum das größte Krankenhaus der Stadt und zugleich das einzige Krankenhaus der Maximalversorgung in Ostsachsen. Rund 860 Ärzte decken das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. 1.860 Schwestern und Pfleger kümmern sich um das Wohl der Patienten. Wichtige Behandlungsschwerpunkte des Uniklinikums sind die Versorgung von Patienten, die an Krebs, an Stoffwechsel- und an neurodegenerativen Erkrankungen.
Deutschlands größter Krankenhausvergleich des Nachrichtenmagazins „Focus“ bescheinigt dem Universitätsklinikum Carl Gustav Dresden eine hervorragende Behandlungsqualität. Die Dresdner Hochschulmedizin belegt deshalb Platz zwei im deutschlandweiten Ranking.
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
Die Hochschulmedizin Dresden, bestehend aus der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und dem gleichnamigen Universitätsklinikum, hat sich in der Forschung auf die Bereiche Onkologie, metabolische sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Bei diesen Schwerpunkten sind übergreifend die Themenkomplexe Degeneration und Regeneration, Imaging und Technologieentwicklung, Immunologie und Inflammation sowie Prävention und Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Internationaler Austausch ist Voraussetzung für Spitzenforschung – die Hochschulmedizin Dresden lebt diesen Gedanken mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 73 Nationen sowie zahlreichen Kooperationen mit Forschern und Teams in aller Welt.
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.