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Familiärer Brust- und Eierstockkrebs: „Wir wünschen uns, dass noch mehr Betroffene das spezialisierte Beratungsangebot wahrnehmen.“

vom 12.10.2021

Familiärer Brust- und Eierstockkrebs: „Wir wünschen uns, dass noch mehr Betroffene das spezialisierte Beratungsangebot wahrnehmen.“

Das Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs Dresden am NCT/UCC wurde 2021 erstmals durch die Deutsche Krebsgesellschaft zertifiziert. Wir sprachen anlässlich des Brustkrebsmonats Oktober mit Zentrumsleiterin Dr. Cornelia Meisel über Möglichkeiten der Beratung, Diagnostik und medizinischen Betreuung für Betroffene sowie über Entwicklungen und Perspektiven.

Was bedeutet familiärer Brustkrebs?
Man geht heute davon aus, dass etwa zehn Prozent aller bösartigen Brusttumoren durch einen vererbten Gendefekt bedingt sind. Betroffen sind hauptsächlich Frauen, nur etwa jeder hundertste Betroffene dieser Krebserkrankung ist männlich. Wenn mehrere Mitglieder einer Familie an Brust- oder Eierstockkrebs oder an beiden Krebsarten erkranken und die Krankheit in jungem Alter auftritt, kann das ein Hinweis auf die erbliche Form von Brustkrebs sein.

Was heißt das konkret für die Betroffenen?
Wenn eine Veränderung in einem der wichtigsten Brustkrebs-Gene BRCA1 oder BRCA2 vorliegt, haben Anlageträgerinnen ein Risiko von etwa 70 Prozent, an Brustkrebs zu erkranken, häufig in sehr frühem Lebensalter. Auch das Risiko für Eierstockkrebs ist mit 20 bis 40 Prozent deutlich erhöht.

Wer kann sich an ein Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs wenden?
Jeder, der Grund zu der Annahme hat, dass bei ihm selbst oder innerhalb der Familie eine erblich bedingte Form von Brust- oder Eierstockkrebs vorliegt. Deutschlandweit gibt es 23 solcher spezialisierten Zentren.

Und was geschieht dann?
Zunächst klären wir den Verdacht in einem genetischen Beratungsgespräch genauer ab. Dazu ist es wichtig, dass die Betroffenen einen Familienstammbaum erstellen, der auch Informationen zu Krebserkrankungen enthält. Hiervon ausgehend erstellen wir eine Risikoanalyse. Im weiteren Verlauf können mögliche Veränderungen in bestimmten Genen an einer Blutprobe untersucht werden.

Das heißt, auch gesunde Menschen können sich bei Ihnen beraten und testen lassen?
Ja. Falls dann in einer Familie ein erhöhtes Risiko für Brust- und Eierstockkrebs nachgewiesen wird, sind aber nicht alle Familienmitglieder von der entsprechenden genetischen Veränderung betroffen. Ich freue mich dann sehr über jedes Familienmitglied, das zu uns kommt, um sich testen zu lassen. Denn häufig können wir die Betroffenen entlasten und ihnen mitteilen, dass sie selbst trotz zahlreicher Krebsfälle innerhalb ihrer Familie eben kein erhöhtes Risiko haben.

Wenn Sie ein erhöhtes Risiko feststellen, ist das für die Betroffenen aber sicher eine schwere Bürde…
…ja, natürlich. Viele der Frauen sind traurig und ein Stück weit verzweifelt. Oftmals haben sie auch andere Familienmitglieder sehr früh an eine Krebserkrankung verloren. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir den Betroffenen auch eine psychologische Unterstützung anbieten können. Ich erlebe die Betroffenen aber vor allem auch als sehr gut informiert und äußerst motiviert, weitere Forschung in diesem Bereich zu unterstützen. Die Bereitschaft, Fragebögen auszufüllen oder Daten für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen, ist extrem hoch.

Welche Entwicklungen haben die vergangenen Jahre geprägt?
Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell die wissenschaftliche Entwicklung läuft. Wir können heute genetische Risiken viel genauer und schneller diagnostizieren als noch vor einigen Jahren. Und, was besonders wichtig ist: Wir können Frauen mit erhöhtem Risiko mittlerweile ein sehr umfassendes intensiviertes Früherkennungsprogramm anbieten. Wenn das Risiko sehr stark erhöht ist, kommen auch vorbeugende Operationen und weitere präventive Therapien infrage.

Welche Bedeutung hat die aktuelle Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft für das Dresdner Zentrum?
Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs haben seit diesem Jahr die Möglichkeit, sich durch die Deutsche Krebsgesellschaft zertifizieren zu lassen. Wir freuen uns sehr, dass wir zu den ersten Zentren gehören, die diese Zertifizierung erfolgreich durchlaufen haben. Sie bietet betroffenen Familien die Sicherheit, dass sie bei uns eine qualitativ hochwertige Beratung, Risikoanalyse und genetische Diagnostik erhalten. Das Zertifikat setzt beispielsweise voraus, dass ein Zentrum über ein spezialisiertes humangenetisches Labor mit molekulargenetischer und bioanalytischer Expertise in der Diagnostik entsprechender Risikogene verfügt und jeder Patientenfall in einem speziellen Expertengremium – einem Gendiagnostikboard – vorgestellt wird.

Welche weiteren Schritte streben Sie an?
Die Zahl der Erstberatungen in unserem Zentrum ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Zum Vergleich: 2012 haben wir gut 100 Erstberatungen vorgenommen, 2020 waren es knapp 470. Wir wünschen uns aber, dass noch mehr Betroffene dieses spezialisierte Beratungsangebot wahrnehmen. Daher ist es uns besonders wichtig, die Vernetzung mit anderen Kliniken und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten weiter zu stärken, damit Kolleginnen und Kollegen Betroffene über das Angebot informieren und möglichst viele Menschen die spezialisierte Beratung nutzen können.

Zur Website des Zentrums für familiären Brust- und Eierstockkrebs Dresden