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Spurensuche im Stoffwechsel: Metabolischer Fingerabdruck von Tumoren

vom 20.12.2022

Spurensuche im Stoffwechsel: Metabolischer Fingerabdruck von Tumoren

Forschende werten Daten der NMR-Analyse aus. © Uniklinikum Dresden/Marc Eisele

Eine Studie von Forschenden der Hochschulmedizin Dresden und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) zeigt das große wissenschaftliche Potential der Kernspinresonanz-Analyse (auch NMR-Analyse – Nuclear Magnetic Resonance Spectroscopy) für die Erforschung von Tumorerkrankungen. Mittels NMR konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Blutserum von Patientinnen und Patienten mit Tumoren des oberen Verdauungstrakts eine spezifisch veränderte Zusammensetzung an Stoffwechselprodukten (Metaboliten) messen. Eine Analyse im Zeitverlauf lieferte starke Anhaltspunkte dafür, dass der ermittelte metabolische Fingerabdruck unmittelbar auf das Tumorwachstum zurückzuführen ist und somit Rückschlüsse auf die Krebserkrankung erlaubt. Die gezielte Messung von Stoffwechselprodukten des Tumors – zum Beispiel beim Wiederauftreten von Tumoren – sollte daher in zukünftigen Forschungsprojekten untersucht werden.

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).

Die Heilungschancen für Patientinnen und Patienten mit Tumoren des oberen Verdauungstrakts (Magen und Speiseröhre) haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dennoch zählt die Erkrankung weiterhin zu den weltweit führenden krebsbedingten Todesursachen. Neue Ansätze für ein verbessertes Verständnis der Krankheit sind daher nötig, um Diagnostik und Therapieverläufe weiter zu verbessern. Ein Dresdner Forscherteam hat nun in einer Studie gezeigt, dass die Methode der Kernspinresonanz-Analyse (NMR) dafür ein wichtiger Baustein werden könnte.

Mithilfe der NMR-Methode maßen die Forschenden im Blutserum von Patientinnen und Patientinnen mit Magen- oder Speiseröhrenkrebs eine – auch im Vergleich mit anderen Krebsarten – spezifische Zusammensetzung an Stoffwechselprodukten (Metaboliten). Durch vergleichende Blut-Analysen vor und nach der operativen Entfernung des Tumors konnten sie erstmals zeigen, dass sich auffällige Stoffwechselveränderungen in dieser Patientengruppe nach der Operation normalisierten. Dies liefert starke Anhaltspunkte dafür, dass die charakteristische Stoffwechsel-Signatur unmittelbar auf das Tumorwachstum zurückzuführen ist.

„Die potentiellen Einsatzmöglichkeiten der Methode für die Erforschung von Tumorerkrankungen sind groß. Künftige Studien könnten beispielsweise untersuchen, ob die NMR-Analyse eine sinnvolle Ergänzung zu bildgebenden Methoden ist, um das mögliche Wiederauftreten eines Tumors nach einer Operation zu überwachen“, erklärt Co-Studienleiter Dr. Peter Mirtschink vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (IKL) des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.

Im Rahmen der Studie untersuchten die Forschenden in insgesamt 283 Blutserums-Proben 42 verschiedene Metaboliten, die bei Krebserkrankungen typischerweise Veränderungen aufweisen können. Denn Krebszellen wachsen und teilen sich schnell und haben dadurch mehr „Hunger“ als die übrigen Körperzellen. Die Abbauprodukte dieses erhöhten Stoffwechsels lassen sich im Blut nachweisen.
Mittels NMR wurden Proben von 43 Betroffenen mit Magen- oder Speiseröhrenkrebs vergleichend mit Proben von 59 gesunden Kontrollpersonen und 39 Patientinnen und Patienten mit Pankreaskrebs analysiert. Erkrankte mit Pankreaskrebs eignen sich durch vergleichbare Merkmale (z. B. ähnliche Tumor-Lokalisierung sowie krankheitsbedingte erschwerte Nahrungsaufnahme und Mangelernährung) als Kontrollgruppe, um metabolische Veränderungen zu identifizieren, die ausschließlich für Betroffene mit Magen- und Speiseröhrenkrebs charakteristisch sind. Bei der Analyse wurden 15 signifikant veränderte Metaboliten für Tumoren des oberen Verdauungstrakts gefunden. Am deutlichsten erhöht war die Stoffwechselgruppe der so genannten Ketonkörper – bestimmten Zwischenprodukten des Fettstoffwechsels.

Analyse zeigt direkte Abhängigkeit von Stoffwechselsignatur und Tumorwachstum

Anschließend wurden Blutseren von Betroffenen mit Magen- oder Speiseröhrenkrebs, die unmittelbar vor der chirurgischen Entfernung des Tumors entnommen wurden, mit Proben vom ersten, dritten und siebten Tag nach der Operation verglichen. Dabei zeigte sich, dass die erhöhten Konzentrationen bestimmter Metaboliten bereits in den ersten 24 Stunden nach der Operation stark zurückgingen, in denen die Patientinnen und Patienten noch keine Nahrung zu sich nahmen. Sieben Tage nach der Operation hatte sich die Zusammensetzung der Stoffwechselprodukte weitgehend normalisiert und denen der gesunden Kontrollgruppe angeglichen.

„Die Untersuchung im Zeitverlauf zeigt deutlich, dass die gemessenen charakteristischen Veränderungen bei den Metabolit-Konzentrationen auf die Aktivität des Tumors zurückzuführen sind. Weitere mögliche Einflussfaktoren wie Entzündungen oder den Ernährungszustand der Betroffenen konnten wir hingegen weitgehend ausschließen. Der ermittelte metabolische Fingerabdruck ist somit ein geeigneter Marker für eine spezifische Gruppe an Tumoren“, betont Dr. Janusz von Renesse, Erstautor der Studie von der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Uniklinikums Dresden.

Information NMR-Gerät

Deutschlandweit gibt es nur wenige NMR-Geräte, die für die Untersuchung von Flüssigproben wie Urin oder Blut (Serum, Plasma) zu Forschungszwecken genutzt werden. Mithilfe einer zwanzigminütigen vollautomatischen Messung können dabei zahlreiche gängige Metaboliten in ihrer jeweiligen Konzentration nachgewiesen werden. Auch die Untersuchung von Gewebe, Zellkulturen und Organoiden ist möglich. Das Dresdner Gerät wurde aus Mitteln des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) für den NCT-Standort Dresden finanziert und ist Teil der Metabolomics-Plattform des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (IKL). Zurzeit laufen bereits eine Vielzahl weiterer Studien mit dem hochmodernen Gerät, um Tumor-bedingte Stoffwechselveränderungen zu entschlüsseln.

Veröffentlichung:
J. von Renesse et al.: Tumour catabolism independent of malnutrition and inflammation in upper GI cancer patients revealed by longitudinal metabolomics. J Cachexia Sarcopenia Muscle. 2022 Nov 23. https://doi.org/10.1002/jcsm.13131


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Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Damit können Krebspatienten an den NCT-Standorten auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Gleichzeitig erhalten die Wissenschaftler durch die Nähe von Labor und Klinik wichtige Impulse für ihre praxisnahe Forschung. Gemeinsamer Anspruch der NCT-Standorte ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln. Das Dresdner Zentrum baut auf den Strukturen des Universitäts KrebsCentrums Dresden (UCC) auf, das 2003 als eines der ersten Comprehensive Cancer Center (CCC) in Deutschland gegründet wurde. Seit 2007 wurde das Dresdner Zentrum von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) kontinuierlich als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das DKFZ ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.  
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Das Universitätsklinikum vereint 20 Kliniken und Polikliniken, vier Institute und zehn interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten.
Mit 1.295 Betten und 160 Plätzen für die tagesklinische Behandlung von Patienten ist das Dresdner Uniklinikum das größte Krankenhaus der Stadt und zugleich das einzige Krankenhaus der Maximalversorgung in Ostsachsen. Rund 860 Ärzte decken das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. 1.860 Schwestern und Pfleger kümmern sich um das Wohl der Patienten. Wichtige Behandlungsschwerpunkte des Uniklinikums sind die Versorgung von Patienten, die an Krebs, an Stoffwechsel- und an neurodegenerativen Erkrankungen.
Deutschlands größter Krankenhausvergleich des Nachrichtenmagazins „Focus“ bescheinigt dem Universitätsklinikum Carl Gustav Dresden eine hervorragende Behandlungsqualität. Die Dresdner Hochschulmedizin belegt deshalb Platz zwei im deutschlandweiten Ranking.

Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
Die Hochschulmedizin Dresden, bestehend aus der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und dem gleichnamigen Universitätsklinikum, hat sich in der Forschung auf die Bereiche Onkologie, metabolische sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Bei diesen Schwerpunkten sind übergreifend die Themenkomplexe Degeneration und Regeneration, Imaging und Technologieentwicklung, Immunologie und Inflammation sowie Prävention und Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Internationaler Austausch ist Voraussetzung für Spitzenforschung – die Hochschulmedizin Dresden lebt diesen Gedanken mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 73 Nationen sowie zahlreichen Kooperationen mit Forschern und Teams in aller Welt.

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
•    Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
•    Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
•    Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.